Auch Nutztiere sind Individuen

Bild: Heyne
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Jeffrey M. Masson: Wovon Schafe träumen. Das Seelenleben der Tiere (Heyne, München 2006, 352 Seiten, antiquarisch)

Können Tiere Freude, Mitleid, Trauer oder Eifersucht empfinden? Wer eine Katze oder einen Hund als Hausgenossen hat, wird dies kaum bestreiten wollen. Wenn es aber um die sogenannten Nutztiere geht, blenden viele Menschen das Offensichtliche aus. Nach der Lektüre dieses Buches dürfte daran jedoch kaum noch ein Zweifel bestehen. Masson nimmt sich den entrechteten Nutztieren an und zeigt, wie verspielt junge Lämmer sind, wie schwer die Trauer der Mutterkuh wiegt, wenn ihr kurz nach der Geburt ihr Kalb entrissen wird, und wie intelligent Schweine sind. Er stellt den Leserinnen und Lesern die unbequeme Frage, woher wir das Recht nehmen, jährlich Milliarden von empfindungsfähigen Tieren allein zu unserem Nutzen und Gefallen zu züchten und nach einer exakt bemessenen Lebensspanne zu töten. Der Autor kommt zu dem nüchternen Fazit, dass wir dieses Recht nicht haben. Er liefert aber auch Beispiele und Gedankenexperimente, wie wir einen anderen Umgang mit und Zugang zu Tieren finden können. Jeffrey M. Masson ist Psychoanalytiker, beschäftigt sich aber seit den 1990er Jahren zunehmend mit der emotionalen Welt von Tieren und veröffentlichte hierzu diverse Monographien, ausgehend von seinen eigenen Erfahrungen mit den typischen Haustieren Hund und Katze. Durch die Recherche für das vorliegende Buch und die eingehende Beschäftigung mit unserer Haltung von Nutztieren erkannte er den Veganismus als wichtigen Schritt hin zu einer respektvollen Beziehung zwischen Mensch und Tier. Aus der Selbstbeschreibung auf seiner Website wird in prägnanter Formulierung deutlich, dass Masson Veganismus als ethisch motivierte Lebensweise versteht, was zum Beispiel den Boykott von Zoos, Tierparks, das Tragen und Verwenden von Leder, Wolle, Seide usw. mit einschließt und er unterzieht auch die Haustierhaltung einem kritischen Blick.

Die Gedanken in Wovon Schafe träumen sind im Grunde leicht nachvollziehbar: „Warum sollte der persönliche Geschmack über unsere Essgewohnheiten bestimmen, ohne dass wir in Betracht ziehen, wer dadurch leiden muss? Warum sollte mein Vergnügen wichtiger sein als das Leiden eines anderen Lebewesens?“ – Es geht also nicht um ein Abwägen (wie viel Leid ist vertretbar, um mir Genuss zu verschaffen?), sondern um das Erkennen und Anerkennen der qualitativen Gleichwertigkeit von menschlichen und nichtmenschlichen Tieren sowie auch darum, dass andere Tiere eben keine Nutztiere, Haustiere, Wildtiere, Zirkustiere usw. sind. Sie alle sind zuallererst Individuen mit individuellen Wünschen, Bedürfnissen und Fähigkeiten – so wie wir Menschen auch.

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