Es war einmal ein Gröfaz (Größter Führer aller Zeiten), der hatte die Deutschen so gern, daß er ihnen etwas richtig Gutes tun wollte. Also ersann er den millionenreichsmarkschweren Plan für das »Seebad der 20.000« in Prora, an der Ostküste Rügens. Aber ach, die Fertigstellung des Grövaz (Größtes Volksgemeinschaftserziehungscamp aller Zeiten) mußte wegen der damals doch arg kriegerischen Zeiten auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Die Deutschen mußten Kraft auch ohne diese Freude schöpfen, was, wie wir wissen, gründlich schiefging.
Heute, 75 Jahre nach der Grundsteinlegung, ist aus einem Teil des Komplexes die »Vier-Sterne-Jugendherberge Prora« geworden, die »massig Platz für Ferien und Freundschaften, für Sport und Spaß, zum Lesen, zum nette Leute kennenlernen, zum Schwimmen, Bräunen, Surfen, Kicken, Kiten« bietet. Und wie das bei modernen Märchen so ist, wird am Ende alles gut: Etwaige böse »Nazikids« werden von Herbergsvater Dennis Brosseit »respektvoll, aber bestimmt« darauf hingewiesen, daß man hier bunt statt braun sei, und die anstaltseigene Website (prora.jugendherberge.de) droht: »Prora macht Spaß. Das werden Sie alle gemeinsam erleben.« Etwa doch eine Volksgemeinschaftsbelustigung? Die gut 16 Millionen Euro für die Allroundbespaßungsanlage gaben EU, Bund und Länder jedenfalls gern; die nötigen drei für Museum und Bildungsstätte sind dagegen nicht aufzutreiben.
Und was meint die deutsche Journaille zu dieser Erfolgsgeschichte? Vor vier Jahren wußte man bei der »Welt« noch, daß Prora ein wichtiger Teil des »Kraft-durch- Freude«-Programms war und die »Volksgenossen« dort »ideologisch gestählt und wehrtüchtig gemacht werden« sollten. Inzwischen hat sich aber auch im Hause Springer die Erkenntnis durchgesetzt, daß ein KdF-Bad auch nichts anderes ist als eine Autobahn und überhaupt die ganze Architektur keineswegs nazihaft sei, ganz im Gegenteil: Es handle sich »um einen DDR-Bau ›reinsten Wassers‹«. Der »Tagesspiegel« läßt Florian Mausbach, einen der verantwortlichen Planer, das Liedchen von der Rehabilitierung der »historisch kontaminierten Bauten« anstimmen. Die »Zeit« ist sich nicht zu blöd für die Frage, ob die Idee vom Billigurlaub für die Massen »nicht auch ein klein wenig demokratisch« gewesen sei, und jubelt: »Geschichte bewohnbar machen ist eben ein Abenteuer.«
Für den Herbergsvater aber ist Prora »Mallorca in XXL«. Mallorca? Ballermänner und -frauen auf Rügen? Na prost! Und wenn sie nicht an Alkoholvergiftung gestorben sind, dann lesen, daten, schwimmen, bräunen, surfen, kicken und kiten sie wohl heute noch.
zuerst veröffentlicht in »konkret« 8/2011